Nachdem die letzte Legislaturperiode Verbesserungen für die Vermieterseite mit sich brachte, schlägt das Pendel nun erwartungsgemäß massiv in die andere Richtung aus. Unter der Überschrift „Qualitätsvolles und bezahlbares Wohnen“ erwarten Vermieter nach dem jetzigen Stand Änderungen mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen. Da diese Segmente des Vertrages offenbar nicht mehr umstritten sind, können sie hier – unter dem Vorbehalt der Änderung und späteren Beschlussfassung durch die Koalitionäre – bereits analysiert werden.
Achtung! Dieser Artikel ist überholt und betrachtete nur eine Entwurfsfassung des Koalitionsvertrages. Es gab zur Endfassung noch relevante Änderungen. Die endgültige Fassung habe ich in der Fachzeitschrift „Das Grundeigentum“ in der 1. Januarausgabe (GE 2014, 11) abgehandelt.
Im Folgenden wird der Originaltext der Koalitionsvereinbarung (blau gekennzeichnet) jeweils abschnittsweise betrachtet.Die Vorhaben der Großen Koalition zum Thema Miet- und Maklerrecht werden im Entwurf des Koalitionsvertrages (Stand: 24. November 2013) unter der Überschrift „Bezahlbare Mieten“ auf Seite 105 f. behandelt. Die Überschriften sind vom Verfasser hinzugefügt.
Kappungsgrenzen für Miethöhen
Damit Wohnraum insbesondere in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt, räumen wir den Ländern für die Dauer von fünf Jahren die Möglichkeit ein, in Gebieten mit nachgewiesenen angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung von Wohnraum die Mieterhöhungsmöglichkeiten auf maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken. Erstvermietungen in Neubauten sowie Anschlussvermietungen nach umfassenden Modernisierungen sind davon ausgeschlossen. Die mögliche Wiedervermietungsmiete muss mindestens der bisherigen Miethöhe entsprechen können. Die Ausweisung dieser Gebiete durch die Länder soll an die Erarbeitung eines Maßnahmenplans zur Behebung des Wohnungsmangels in den Gebieten gekoppelt werden.
Die maximale Miethöhe soll – in „Städten mit angespannten Wohnungsmärkten“ 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht mehr überschreiten. Ausnahmen gelten in folgenden Fällen:
- Erstvermietungen in Neubauten. Neue Wohnungen können daher immer noch zu marktgerechten Konditionen vermietet werden.
- Anschlussvermietungen nach Modernisierungen. Wurde eine Modernisierung durchgeführt, sollen Vermieter den Zuschlag offenbar weiter geltend machen können.
- Bisherige Miete war bereits höher. Soweit bisher eine Marktmiete erzielt wurde, darf diese auch weiter verlangt, allerdings nicht mehr erhöht werden.
Die Länder – also auch Berlin – sollen ermächtigt werden, die Geltung der Grenzen festzusetzen. Da die Ausweisung dieser Gebiete an die Erarbeitung eines „Maßnahmenplans zur Behebung des Wohnungsmangels“ gekoppelt wird, muss Berlin zumindest den Anschein erwecken, als gäbe es einen solchen Plan. Allerdings ist damit zu rechnen, dass Berlin – wie auch bereits bei der Kappungsgrenzenverordnung – sich gar keine Mühe geben wird, die Voraussetzungen einer solchen Maßnahme zu prüfen, sondern sie einfach lapidar mit der Behauptung, in Berlin herrsche ein „angespannter Wohnungsmarkt“ vor, umsetzen wird. Dass die Akzeptanz einer solchen Maßnahme unter einem solchen Vorgehen erheblich leidet und die Rechtmäßigkeit der Mietpreisgrenzen fraglich wird, stört die Landespolitik offenbar nicht. Allerdings ist aufgrund dieses bekannten Verfahrens damit zu rechnen, dass Berlin eine bundesgesetzliche Ermächtigung mit nur wenigen Tagen Verzögerung nutzen wird, um den Berliner Wohnungsmarkt weiter zu regulieren.
Verlängerung der Wartefristen für Mieterhöhungen
Die geltende Regelung zur Begrenzung von Erhöhungen der Bestandsmieten auf 15 Prozent bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (sog. „Kappungsgrenze“) in von den Ländern ausgewiesenen Gebieten wird von drei auf vier Jahre ausgeweitet.
Reichte die Senkung der Kappungsgrenze für Bestandsmieten von 20% auf 15% in drei Jahren noch nicht aus, soll nun – optional für die Länger – auch der Betrachtungszeitraum auf vier Jahre verlängert werden. Künftig werden also immer längere Zeiträume nötig sein, damit eine geringe Miete das (wie oben bereits stark eingeschränkte künftige) Marktniveau erreichen kann.
Erschwerung von Modernisierungen
Künftig sollen nur noch höchstens 10 % – längstens bis zur Amortisation der Material- und Handwerkerkosten – einer Modernisierung auf die Miete umgelegt werden dürfen. Durch eine Anpassung der Härtefallklausel im Mietrecht (§ 559 Abs. 4 BGB) werden wir einen wirksamen Schutz der Mieter vor finanzieller Überforderung bei Sanierungen gewährleisten.
Erhebliche Verschlechterungen erwarten Vermieter im Bereich der Modernisierungen. Modernisierungsumlagen sollen nur noch so lange gelten, bis sie zu einer Vollamortisation geführt haben. Zudem wird die Umlage von 11% auf 10% pro Jahr abgesenkt, was also zu einer maximalen Umlagelaufzeit von 10 Jahren führt. Offenbar sollen auch nur noch Material- und Handwerkerkosten umlagefähig sein, Planungskosten und sonstiges werden nun zum Privatvergnügen des Vermieters. Generell ändert dieses Vorhaben auch die Natur der Modernisierungsumlage: War sie bisher ein Zuschlag für einen erhöhten Wohnwert, ist sie nun nur noch eine Teilumlagefinanzierung der Modernisierungskosten.
Sehr nachteilig wird sich die beabsichtigte Überarbeitung der Härtefallklausel des § 559 Abs. 4 BGB auswirken. Kann der Vermieter Umlagen bisher auch bei sozial schwachen Mietern durchsetzen, wenn er die Mietsache lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzt oder gesetzlich dazu gezwungen ist, wird er bei einer schwachen Mieterstruktur künftig wohl gänzlich auf den Modernisierungskosten sitzenbleiben. Damit wird es auch unmöglich werden, Modernisierungsmaßnahmen in Häusern mit sozial schwachen Mietern zu refinanzieren und damit überhaupt durchzuführen. Einen Mieterwechsel wird ein Vermieter nicht mehr durchsetzen können, um wenigstens durch künftige Neuvermietung einen Teil der Kosten wieder hereinzuwirtschaften. Damit wird eine Modernisierung – von der Wärmedämmung bis zum rückkanalfähigen Breitbandkabelanschluss – künftig in Häusern mit schwacher Mieterstruktur wirtschaftlich kaum noch möglich sein. Vermieter werden daher schon bei der Vermietung unbedingt darauf achten müssen, dass die soziale Mischung in den Häusern nicht kippt. Häuser mit ALG II-Beziehern werden bei Modernisierungen außen vor bleiben.
Abweichend vereinbarte Wohnungsgrößen künftig unmaßgeblich
Wir werden für alle Rechtsgebiete klarstellen, dass nur die tatsächliche Wohn- bzw. Nutzfläche Grundlage für Rechtsansprüche z. B. für die Höhe der Miete, für Mieterhöhungen sowie für die umlagefähigen Heiz- und Betriebskosten sein kann.
Kaum eine Wohnung ist genauso groß wie im Vertrag vereinbart, da die meisten Vermieter gar nicht über genaue Wohnungsaufmaße verfügen. Bisher galt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Toleranz von 10%: Nur wenn die vereinbarte Wohnungsgröße mehr als 10% von der realen abwich, waren Mietzins und Betriebskosten anzupassen. Nun soll offenbar die Größe sämtlicher Wohnungen genau maßgeblich sein, was dann Folgen zugunsten entweder des Mieters oder des Vermieters haben kann. Es wird daher wohl erforderlich sein, neue Aufmaße von Häusern zu erstellen, um die Wohnflächen einzelner Einheiten und die Gesamtumlageflächen genau zu bestimmen.
Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
Wir sorgen dafür, dass im Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete auf eine breitere Basis gestellt und realitätsnäher dargestellt wird.
Was die Koalitionsparteien damit meinen, wenn der „Mietspiegel aus eine breitere Basis“ gestellt und „realitätsnäher dargestellt“ werden soll, bleibt im Dunkeln. Es wird aber wohl kaum gemeint sein, dass künftig im Mietspiegel ein markt- und realitätsnäheres Mietzinsniveau abgebildet werden wird. Eher ist zu erwarten, dass die Erstellung des Mietspiegels noch stärker als bisher einer politischen Steuerung unterworfen werden soll, um das dort Festgestellte weiter als bisher von der Marktentwicklung abzukoppeln.
„Wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlässigung von Wohnraum“
Wir halten wirksame Instrumente gegen grobe Vernachlässigung von Wohnraum durch den Eigentümer für notwendig. Wir werden entsprechende Regelungen prüfen.
Offenbar soll gegen Leerstand vorgegangen werden. Da dies bei Leerstandquoten um den Nullpunkt derzeit kein reales Problem darstellt, verblieb es wohl beim Prüfauftrag.
Änderungen für Maklerqualifikation und Mäklerlohn
Für Maklerleistungen wollen wir klare bundeseinheitliche Rahmenbedingungen und ebenso Qualitätssicherung erreichen. Vermieter und Mieter sollen weiter als Auftraggeber auftreten können. Dabei gilt das marktwirtschaftliche Prinzip: wer bestellt, der bezahlt. Wir wollen im Maklerrecht Anreize für eine bessere Beratung des Verbrauchers beim Immobilienerwerb schaffen. Hierzu streben wir als weitere Option des Verbrauchers eine erfolgsunabhängige Honorierung entsprechend dem Beratungsaufwand an. Zudem wollen wir einen Sachkundenachweis einführen und Standards aus anderen Beratungsberufen auf das Maklergewerbe übertragen. Wir werden berufliche Mindestanforderungen und Pflichtversicherungen für Wohnungsverwalter und Immobilienmakler verankern.
Dass der Maklerberuf an Qualifikationskriterien geknüpft werden soll, ist zunächst zu begrüßen.
Allerdings soll die Maklerhonorierung offenbar bei Verbrauchergeschäften optional auch auf dem Stundenaufwand basieren, der dem Makler im Rahmen der Verbraucherberatung entsteht. Ob dies überhaupt realistisch ist (da üblicherweise nur ein geringer Teil der Aufwände des Maklers den endgültigen Vertragspartner betrifft), wird sich zeigen.
Immerhin sollen sowohl Vermieter als auch auch Mieter weiter Makler beauftragen können. Mit der sehr missverständlichen Formulierung „wer bestellt, der bezahlt“ greifen die Koalitionspartner populistisch die Vorstellung der Bevölkerung auf, wonach „eigentlich der Eigentümer“ den Makler einschaltet und der Makler „ja eigentlich nichts gemacht hat“. Hier wird jedoch verkannt, dass es in der Regel der Miet- und Kaufinteressent ist, der auf eine Makleranzeige antwortet, der eben mit seiner Kontaktaufnahme den Makler beauftragt. In diesem Punkt wird sich daher wohl effektiv nichts ändern.
Fazit
Die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag bergen im Bereich des Mietrechts erheblichen Sprengstoff für den Wohnungsmarkt. Die Rechtspositionen von Vermietern werden erheblich geschwächt. Insbesondere die Wirtschaftlichkeit von Modernisierungen wird in Häusern mit einer sozial schwachen Mieterstruktur bis hin zur Unrentabilität verschlechtert. Das großflächige Unterbleiben von energetischen Modernisierungen in sozial schwachen Gebieten wird die Folge sein.
Wenig Licht, etwa den überfälligen Erfordernissen an die Maklerqualifikation, steht viel Schatten gegenüber. Es bleibt zu hoffen, dass einige der Vereinbarungen an der Realität scheitern werden.
Der Autor Björn Matthias Jotzo ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht in der immobilienwirtschaftsrechtlichen Abteilung der Berliner Sozietät Jotzo Jung & Partner.